22 maj 2013

Walter Ljungquist und der psychologische Roman Schwedens

Walter Ljungquist (offiziell Valter Bertil Ljungqvist) wurde am 11. Juni 1900 als Sohn des Kaufmanns Erik Josef Ljungqvist und dessen Frau Edla Josefina Cecilia Pettersson in Kisa in Östergötland geboren und starb am 22. Mai 1974 ebenfalls in Kisa. Ljungquist war in erster Ehe mit der Journalistin Claire Eva Edla Neuman verheiratet und in zweiter Ehe mit der Schriftstellerin Gerda Sofia Antti.

Seine Kindheit verbrachte Walter Ljungquist in einem Elternhaus mit einer herzkranken Mutter und einem psychisch labilen Vater, der zwischen Enthusiasmus und Verzweiflung pendelte. Die Wirtschaftslage der Familie war kaum stabil. Es war daher kaum verwunderlich, dass sich Ljungquist, der zudem Hörprobleme hatte, in eine eigene Welt floh. Als der Junge zwölf Jahre alt war, starb die Mutter und die Situation verschlechterte sich zunehmend, da der Vater zu trinken begann und der Konkurs bald nicht mehr zu vermeiden war.

Walter Ljungquist, Erika, Erika, Albert Bonniers Förlag, Stockholm, 1963

Sehr früh musste Walter Ljungquist bei seinem Vater mitarbeiten und nach fünf Jahren Volksschule begann für ihn das Berufsleben, erst im Büro, dann in der kleinen Druckerei, die Ljungquist später übernahm und bis in die 30er Jahre fortführte. Diese Kindheit und die verpasste Jugend sollten später die Hauptthemen seiner Werke werden, eine Art Suche nach seiner eigenen Vergangenheit und die Suche nach dem verlorenen Paradies.

Der junge Walter Ljungquist, der bereits früh seine künstlerische Neigung entdeckt hatte, versuchte bereits mit etwa 20 seine verpasste Bildung nachzuholen und beschäftigte sich mit allen Strömungen der Zeit, angefangen von der Literatur bis zur Philosophie und Psychologie. Als vollkommener Autodidakt und ohne Fremdsprachenkenntnisse versucht Ljungquist selbst Autoren wie Marcel Proust, Joseph Priestley und Katherin Mansfield zu verstehen. Verständlicherweise gewann der Schriftsteller dadurch eine persönliche Vorstellung der Literatur und folgte nicht den akademisch vorgegebenen Linien.

Im Jahre 1926 begann Walter Ljungquist als Novellist bei der Bonniers veckotidning, wenn auch mit geringem Erfolg und gleichzeitig begann er an an einem Monumentalwerk im Geiste von Proust zu schreiben. Ljungquist wollte damit den ersten modernen Roman Schwedens schaffen, was ihm jedoch nicht gelang, da der Roman von den Verlagen, ebenso wie seine zwei zeitkritischen Folgeromane, abgelehnt wurde.

Erst als Bonniers Litteräre Magasin ab 1932 erschien und damit auch die modernere Prosa veröffentlichte, gelang es Walter Ljungquist unter den Literaten Schwedens aufgenommen zu werden und 1933 erhielt er einen geteilten ersten Preis für seinen Kurzroman Ombyte av tåg. Gleichzeitig machte Ljungquist durch die Zeitschrift auch die Bekanntschaft mit den Werken von Hermann Hesse in dessen Werken er Parallelen zu seinem eigenem Schicksal entdeckte.

Nachdem Walter Ljungquist sich auch der Anthroposophie genähert hatte, die sich in Schweden ab Mitte der 30er Jahre verbreitete, änderte sich die Betrachtungsweise des Schriftstellers und Ljungquist fand zur Erzählung, die auf persönliche Erinnerungen aufbaut. Bereits 1938 kam dann mit dem Roman Resande med okänd bagage sein absoluter Durchbruch. 

Als in den 40er Jahren der Aufstieg des schwedischen Films einsetzte, nahm die Aktivität des kaum etablierten Schriftstellers etwas ab, da er sich, vor allem gemeinsam mit Hasse Ekman, an das Schreiben von Filmmanuskripten machte und dadurch über 20 Filmen seinen Stempel gab. So nebenbei wurden dann zwischen 1943 und 1950 auch drei seiner eigenen Romane verfilmt, was ihm zu einem bedeutenden Ruhm als Schriftsteller verhalf.

In den 50er Jahren schreibt der literarische Außenseiter Walter Ljungquist einige der bedeutendsten Romane dieser Zeit, die den Lesern einen Blick in die Seelen seiner Hauptpersonen führen und ihnen den psychologischen Roman Schwedens präsentiert.

Als Walter Ljungquist 1951 Stockholm verlässt, das Schreiben für den Film aufgibt und keine Auftragsarbeit mehr annimmt, entsteht das Meisterwerk des Schriftstellers, ein Bildungsroman, der sich langsam entwickelt und letztendlich aus elf Büchern bestand. Ljungquist wechselt bei dieser Serie immer wieder die Betrachtungsweise und der Leser findet sich in den verschiedensten Personen wieder. Diese 100-jährige „Geschichte“ des Småland mit seinen Naturbetrachtungen wird immer wieder mit dem Werk von Johann Wolfgang von Goethe verglichen, da Ljungquist zu sehr ähnlichen Stilmitteln und Ausdrucksweisen greift wie der deutsche Schriftsteller.

Walter Ljungquist, der bisweilen als Entwicklungspsychologe bezeichnet wird, gehört als Autodidakt in keinerlei Gruppe von Schriftstellern und er folgte keiner einzigen der offiziellen literarischen Linien, was ihn innerhalb der schwedischen Literaturgeschichte nahezu einzigartig macht. Die Personen in seinen Büchern sind immer auf dem Weg sich zu finden, auf dem Weg etwas zu erreichen oder auf dem Weg das Leben zu verstehen, auch wenn der Ausgang danach meist offen bleibt. Ljungquist interessierte die Entwicklung des Menschen, was den Einfluss der Anthroposophie auf seine Werke zeigt ohne dass der Schriftsteller jedoch das gesamte Dogma dieser Philosophie übernahm.

Copyright: Herbert Kårlin

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